Zur Hauptversammlung der Deutschen Bank in Frankfurt/M, 24.05.2018
Sehr geehrte Gastgeber, sehr geehrte Gäste dieser Hauptversammlung,
im Dachverband der Kritischen Aktionäre spreche ich hier für die Initiative Ordensleute für den Frieden (IOF). Mit weniger als 2 Tagen Vorlauf haben Sie, Herr Achleitner, für
den 09.05.18 die entscheidende Sitzung des Aufsichtsrats mit seinen 13 Herrn und 7 Damen einberufen. Den meisten in aller Welt befindlichen Mitgliedern hat die Zeit für die Anreise gefehlt, sodass die wenigen Anwesenden in Ihrem Büro genug Platz gehabt
haben. Gleich zu Beginn erklären Sie per zugeschalteter Telefonkonferenz und vorberei- teter Pressemitteilung, warum die Bank so rasch einen Wechsel im Vorstand braucht:
Der 3. Jahresverlust in Folge, der Aktienkurs halbiert, global auf dem Rückzug, in Deutschland postbank-geschüttelt. Trotzdem wird die Bank ihren Beschäftigten gut 2
Mrd. € an Boni zahlen, mehr als die Hälfte davon den Investmentbankern. Die Anteils- eigner sollen jedoch mit nur 1/10 dieser Summe abgespeist werden. Erst öffentliche Em- pörung hat den Vorstand veranlasst, auf seine eigenen Boni zu verzichten.
1. Frage: Wie erklären Sie den Aktionären, dass die Investmentbanker trotz unerreichter Ertragsziele höhere Boni verdient haben und die Eigentümer nur so miese Dividende?
Nach vergeblichen Bemühungen um fähige Bankmanager von außen (Richard Gnodde, Jean Pierre Mustier und Bill Winters) haben Sie Ihr Heil in Hast und Hatz gesucht:
John Cryan fliegt 'raus, Christian Sewing wird Vorsitzender, Karl von Rohr und Garth Ritchie werden Vize-Vorsitzende, Markus Schenck gibt düpiert freiwillig auf.
Einige Aufsichtsräte, einfach vor vollendete Tatsachen gestellt, verlangten Einzelab- stimmung, äußerten sich kritisch. Sie, Herr Achleitner, sahen Ihre Autorität infrage ge-
stellt und verhinderten eine offene Aussprache, eine Szene, in die aus Schillers Don Car- los bekannte Bitte gehört hätte:"Sir, geben Sie Gedankenfreiheit!" In dieser Skizze
(SZ, 14./15.04.18) stecken all die bekannten Taten und Untaten von Vorstand und Auf- sichtsrat, in den Sie John Thain, den Spezialisten für vorgezogene Boni, geholt haben.
2. Frage: Wie bewerten Sie die Tatsache, Herr Achleitner, dass es im neuen Aufsichtsrat bei dem flink verkündeten Prioritätenwechsel vom Investmentbanking zum Privat- und
Firmengeschäft keinen Vertreter der deutschen Realwirtschaft mehr gibt?
Seit Ihrem Amtsantritt vor 6 Jahren hat die Bank sage und schreibe 6 Vorstandsmitglie- der verschlissen, eine Belastung Ihres eigenen Kontos an Fähigkeit und Glaubwürdigkeit
und das der Bank. Die zunehmende Unzufriedenheit v.a. der Großinvestoren hat Sie wieder zu dem Trick greifen lassen, statt einer Analyse der Möglichkeiten und der Er-
wartungen die gebotenen Sach- einfach durch Personalentscheidungen zu fällen.
Nach der Ablösung von Josef Ackermann haben Sie bei der Doppelspitze Jain/Fitschen den Dritten im Vorstand gespielt. Das beißt sich zwar mit der gebotenen Rollenvertei-
lung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Doch auf diese Weise haben Sie Ihre Qualifi- kation so erweitert, dass Sie eigentlich hätten klar wissen können und müssen, welchen
Menschen man so ein Himmelfahrtskommando zumuten kann, wie es der Bankchef un- ter Ihnen als Aufsichtsratsvorsitzender ist. Sie hatten John Cryan aus dem Aufsichtsrat
geholt, bald zum alleinigen Chef der Bank gemacht, damit er die mit dem Aufsichtsrat abgestimmte Strategie umsetzt.
Handverlesen haben Sie einst weitere Leute wie Markus Schenck und Kim Hammonds in ihre Positionen gehievt. "Trial and error" als Prinzip ist doch nur dann sinnvoll, wenn
nach einem error eigenes Fehlverhalten erkannt, eingestanden und korrigiert wird. Sonst
wiederholt sich das gleiche Spiel mit erneutem trial – da capo al fine.
3. Frage: Wie hoch schätzen Sie realistisch die betriebsinternen Kosten für das fortlau- fende Auswechseln der Vorstände in Ihrer Amtszeit, Herr Achleitner?
John Cryan, ebenfalls handverlesen, sollte die Deutsche Bank aus ihrer hundsmiserablen Lage herausmanövrieren. Seine tatsächliche Leistung kann ich nicht beurteilen, aber wie Sie Ihren ehemaligen Freund aus dem Vorsitz katapultiert haben, das kann nicht als die
feine englische Art bezeichnet werden. Wohl u.a. ist Ihr Zerwürfnis unterschiedlichen Ansichten über die Bonität des chinesischen Großaktionärs HNA geschuldet:
4. Frage: Wäre es nicht naheliegend gewesen, John Cryan einzugestehen, dass er die Lage beim HNA-Konzern richtig eingeschätzt hat und Sie sich verschätzt haben?
Für mich ist das skizzierte Szenarium Ausdruck eines kannibalisch zu nennenden Sys- tems, getrieben von der Gier nach mehr Geld und mehr Macht. Dieser Zweck scheint
fast alle Mittel zu heiligen und lässt die Akteure über Leichen gehen. Diese Aussage ist seit über 25 Jahren Bestandteil des allmonatlichen, 2-stündigen Mahnwache der IOF.
Auch die Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre reißen sich nicht darum, dass ihr in einem ramponierten Institut angelegtes Geld immer weiter an Wert verliert, aber sie le-
gen großen Wert darauf, dass mit ihrem Geld ethisch verantwortbar umgegangen wird. Während ihnen persönlich an Glaubwürdigkeit und Ansehen gelegen ist, haben beide Qualitäten bei der Bank krisenreich gelitten, mit den bekannten Folgen von Strafzahlun-
gen von rund 12 Mrd. €, die eine enorme Bandbreite an unethischen bis illegalen Aktivi- täten belegen. ICAN hat für seine Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen den
Friedensnobelpreis bekommen, nicht die vorrangig für Finanzierung sorgende Bank.
5. Frage: Wird die Deutsche Bank das zaghaft begonnene Divestment aus fossilen und nuklearen Energieunternehmen und aus Menschen- und Völkerrecht verletzenden Staa-
ten verstärkt fortführen und den Menschenrechten zur Vorrangigkeit verhelfen?
Das Schicksal von John Cryan ist die eine Seite der hässlichen Achleitner-Medaille, die andere betrifft den am 09.05.18 durchgeboxten Nachfolger für PCB, die "private and
commercial bank". PCB steht auch für hochgiftige polychlorierte Biphenyle:
6. Frage: Haben Sie, Herr Sewing, sich vor Ihrer Zustimmung gefragt, ob Ihnen – als bekanntlich dritte Wahl – nicht über kurz oder lang ein ähnliches Schicksal ereilen wird?
Mich erinnert Ihre Situation an ein Phänomen, das die VDI-Nachrichten (15.03.1996) unübertrefflich gut auf den Punkt gebracht haben, tauglich als geflügeltes Wort:
"Der Reiz der Beförderung überdeckt oft die mit ihr verbundenen Probleme."
Wer diesem Phänomen tiefer nachspüren möchte, sei auf den Schriftsteller Werner Ber- gengruen und sein Buch "Der Großtyrann und das Gericht" (1949) verwiesen:
Die Versuchungen der Mächtigen, ihre Macht zu missbrauchenund die Verführbarkeit der Unmächtigen, von dieser Macht zu profitieren.
Ein zweites Beispiel belastet Ihre Fähigkeit und Glaubwürdigkeit, Herr Achleitner: Kim
Hammonds, bis vor kurzem verantwortlich für den – von John Cryan einst lausig ge- nannten – IT-Bereich. Deren harsche Kritik der "most dysfunctional company" hat Sie
gewiss not amused. Doch solche blitzartigen Äußerungen setzen ja zuvor angesammelte Energie voraus. Ihre einst für sehr qualifiziert gehaltene Kollegin wird zuvor auf das jah-
relang versäumte, be- und verhinderte Aufräumen hingewiesen und frustriert erfahren haben, für den nötigen Total-Umbau nicht die nötige Unterstützung zu bekommen. Dies
trifft ins Nervenzentrum der Machtelite und speziell in das System Achleitner:
7. Frage: Halten Sie es nach wie vor für richtig, dass Aufsichtsratsplätze eher vererbt als nach Erfahrung und Können vergeben werden, dass Aufsichtsräte also einem Orden oder
einer Kaste angehören, die neue Ansätze und den Mut zu Veränderungen ausbremst?
"Nicht nur wer zu spät kommt, auch wer zu spät geht, den bestraft das Leben" – mit dieser kleinen Anleihe bei Michael Gorbatschow danke ich Ihnen allen für Ihre