Georg Danter - "Stille Nacht - Heilige Nacht"
WAFFENEXPORTE 20.AUG 2015
Der Krieg beginnt am Bodensee
Die Idylle im Dreiländereck trügt: Rund um den See werden Waffen produziert und exportiert. Sie trieben Millionen von Menschen in die Flucht vor Kriegen, kritisieren Flüchtlings- und Friedensgruppen. Deshalb wollen sie am Wochenende gegen die Rüstungsindustrie am Bodensee protestieren.
Für Rex Osa ist der Zusammenhang offensichtlich: „Wer Instrumente der Gewalt produziert, erntet Flüchtlinge“, sagt der Aktivist der Initiative „Voice Refugee Forum“ gegenüber der taz. Er selbst musste vor Jahren aus Nigeria fliehen. Die Aktionstage am See will er nutzen, um den Leuten vor Ort zu sagen, dass ihre Fabriken Flucht verursachen. Statt den Opfern in den Flüchtlingsheimen zu helfen, sollten die Menschen darüber nachdenken, dass sie auch Ursache des Problems sind und in ihrer Heimat die Strukturen verändern. Alles andere sei keine Lösung.
Der größte deutsche Rüstungscluster konzentriert sich amBodensee.
Die Erfahrung, dass die Region das Thema gerne verschweigt, haben vergangenes Jahr auch die beiden Greenpeace-Magazin-Redakteure Vito Avantario und Kurt Stukenberg gemacht. Bei ihren Recherchen über die Rüstungsindustrie rund um den See stießen sie auf viele verschlossene Türen: „Vermeiden ist hier die Hauptsache. Andere verantwortlich machen. Die Wahrheit leugnen. Eine möglichst große Distanz zwischen sich und den Kriegen in der Welt herzustellen, darin sind sie an der B 31 geübt“, lautet ihr Fazit. Das Greenpeace Magazin titelte mit „ Der Rest ist Schweigen“.
Im Rahmen des Aktionswochenendes wollen die Friedenaktivisten am morgigen Freitag auch vor den Werkstoren des Rüstungsherstellers Diehl Defence in Überlingen protestieren. Der bekannte Rüstungsgegner Jürgen Grässlin bezeichnet das Unternehmen in seinem „Schwarzbuch Waffenhandel“ als das „augenscheinlich zweittödlichste Unternehmen Deutschlands“, nach der Pistolenschmiede Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar. Neben Mittel- und Großkalibermunition und einer breiten Palette an Handgranaten stellt Diehl Defence auch Zünder her. Grässlin beziffert in seinem 2013 erschienenen Buch die Jahresproduktion auf eine Million Stück, sie sei vor allem an die US Army ausgeliefert und in den Kriegen im Irak und Afghanistan eingesetzt worden. Die Zahl der Opfer durch Diehl-Produkte müsse „exorbitant hoch“ sein, sagt er.
Bekannt wurde Diehl durch den Bau vonRaketen. Im Jahr 2010 feierte das Unternehmen mit einem opulenten Empfang „50 Jahre Lenkflugkörper“. Den Gästen, darunter langjährige Mitarbeiter, Pensionäre und Angehörige von Luftwaffe und Verteidigungsministerium, wurden Cocktails gereicht, die die Namen der erfolgreichsten Militärprodukte trugen. Dazu gab es in Raketenform gebackenen Kuchen. Später stießen die Gäste noch auf den Produktionsstart der luftgestützten Flugabwehrrakete AIM-Sidewinder im Jahr 1960 an. Seitdem hat Diehl 35.000 dieser Geschosse in verschiedenen Ausführungen für fast alle Nato-Partner hergestellt. Schätzungen zufolge wurden mit der Sidewinder bis heute mehr Flugzeuge abgeschossen als mit jeder anderen Rakete. Sie kam unter anderem in Vietnam, auf den Falklandinseln und im ersten Irakkrieg zum Einsatz. In Kooperation mit dem US-Unternehmen Raytheon Missile Systems wird die Erweiterung AIM-9L bis heute am Bodensee hergestellt.
Diehl ist nicht der einzige Waffenhersteller am See, der tödliche Produkte in seinem Portfolio hat. Ein gutes Dutzend Unternehmen produziert Munition, Motoren, Komponenten und Technik für die Kriegsführung. Die Friedensaktivisten wollen drei der Konzernen einen Besuch abstatten. Den Auftakt bilden Kundgebungen vor ATM in Konstanz und Mowag in Kreuzlingen am heutigen 20. August.
Samuel Zuder/Greenpeace Magazin
"Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt"


Umstrittene Entscheidung Sicherheitsrat erlaubt Rüstungsexport nach Saudi-Arabien
4. Februar 2015, 18:00 Uhr
Wider Erwarten hat der Bundessicherheitsrat doch einen Rüstungsexport nach Saudi-Arabien genehmigt. Möglich war das, weil es sich beim fraglichen Export nicht um scharfe Waffen handelt.
Die Bundesregierung hat die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien doch nicht gestoppt. Der Bundessicherheitsrat genehmigte in seiner letzten Sitzung vor zwei Wochen die Ausfuhr von vier Schießsimulationssystemen vom Typ "Gladio" inklusive Zubehör, "Zieldarstellungsgeräten" für Infanteriewaffen inklusive Zubehör sowie von Software und Technologie für die Sicherung der mehr als 6000 Kilometer langen Grenze Saudi-Arabiens. Das geht aus einer Mitteilung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an den Bundestag hervor, die der Deutschen Presse Agentur vorliegt.
Kurz nach der Sicherheitsratssitzung hatte es Berichte gegeben, nach denen alle Ausfuhranträge für Saudi-Arabien abgelehnt oder die Entscheidungen bis auf weiteres vertagt worden seien. Das gilt nach Informationen aus Regierungskreisen aber nur für scharfe Waffen.
Dem Bundessicherheitsrat gehören neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gabriel sieben weitere Minister an. Das Gremium genehmigte in seiner letzten Sitzung acht Geschäfte.
Neben den drei Exporten nach Saudi-Arabien gab es auch grünes Licht für die Ausfuhr von Funkausrüstung und einem Montagecontainer für "Fuchs"-Transportpanzer nach Algerien. Nach Kuwait werden elf ABC-Spürpanzer für die Abwehr von und die Suche nach chemischen, biologischen und nuklearen Waffen geliefert. Brasilien erhält Leichtgewichttorpedos ohne Gefechtskopf.
Waffenexporte sind hoch umstritten
Welche Exportanträge abgelehnt werden, hält der Sicherheitsrat aus Rücksicht auf Antragsteller und Produzenten geheim. Waffenexporte nach Saudi-Arabien sind wegen der Menschenrechtslage in dem Königreich hoch umstritten. Zuletzt hatte die Prügelstrafe für den wegen Islambeleidigung zu 1000 Stockhieben verurteilten Blogger Raif Badawi weltweit für Empörung gesorgt.
Der für Rüstungsexporte zuständige Vizekanzler Gabriel hat sich eine Einschränkung von Waffenlieferungen in Länder außerhalb von EU und Nato auf die Fahnen geschrieben. Anfang März reist der SPD-Chef mit einer Wirtschaftsdelegation nach Katar und Saudi-Arabien.
Die Linke kritisierte die Rüstungsexporte scharf. "Angela Merkel bleibt sich treu: Menschenrechte zählen für diese Bundesregierung weniger als Rüstungsexporte", erklärte der Außenpolitiker Jan van Aken. "An Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten, darf kein Panzer, kein Gewehr, nicht einmal eine Schraube für eine Waffe geliefert werden."
Deutsche Waffen außer Kontrolle
Stand: 15.01.2015 14:17 Uhr
Die Bundeswehr im Nordirak weiß nicht, an welche Einheiten der kurdischen Peschmerga-Milizen die gelieferten Waffen nach deren Ankunft im Irak gehen. Das räumte der Sprecher der Bundeswehr vor Ort im Interview mit dem ARD-Magazin Monitor ein. "Wir können nicht verfolgen, wo die einzelnen Waffen hingehen. Wir haben keine Kenntnisse über die einzelnen Bataillone oder gar Kompanien, wo die Waffen sich befinden", sagte Oberstleutnant Torsten Stephan.
Recherchen von Monitor im Nordirak legen zudem schwere Menschenrechtsverletzungen durch Peschmerga-Milizen und die kurdische Führung nahe. So schilderten mehrere kurdische Regierungskritiker, wie sie vom Geheimdienst der Autonomieregierung oder Privatmilizen in Geheimgefängnisse gebracht und dort gefoltert wurden. Die kurdische Autonomieregierung beschuldigen sie, solche Gefängnisse auch weiterhin zu unterhalten und sie befürchten, dass die westlichen Waffen schon bald auch gegen sie gerichtet werden könnten.
Bundesregierung in der Verantwortung?
Ein ranghoher Peschmerga-General wird darüber hinaus verdächtigt, einen Auftragsmord an einem regimekritischen Journalisten angeordnet zu haben. Bis Ende Dezember 2014 befehligte er einen der Frontabschnitte, die mit deutschen Waffen ausgestattet wurden. Das belegen Filmaufnahmen von Monitor.
Deutschland liefert unter anderem 500 Panzerabwehrraketen, 16.000 Sturmgewehre und mehrere Millionen Schuss Munition an die Peschmerga im Nordirak.
Die Krisenbeauftrage der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Donatella Rovera, äußerte scharfe Kritik am Verhalten der Bundeswehr. Den Verbleib gelieferter Waffen nachzuverfolgen, "liegt in der Verantwortung jeder Regierung, die Waffen verkauft oder kostenlos weitergibt". Vor diesem Hintergrund sei das Verhalten der Bundeswehr "absolut falsch". Die Bundesregierung trage damit auch die Mitverantwortung für alle Verbrechen, die mit diesen Waffen begangen werden.
Regierung beruft sich auf "Endverbleibserklärung"
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, forderte gegenüber Monitor, dass die deutsche Hilfe an Peschmerga-Milizen in dieser Form nicht weiter geleistet werden dürfe, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. "Geheimgefängnisse, insbesondere Foltergefängnisse, müssen geschlossen werden. Das ist eine Voraussetzung für eine vernünftige und verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit einem Staat. Und da kann man auch keine Kompromisse schließen." Strässer kündigte entsprechende Anfragen an die Bundesregierung an.
Die Bundesregierung antwortete auf Monitor-Anfrage, dass "Berichte über Verletzungen des humanitären Völkerrechts sehr ernst genommen" werden und wies auf die vereinbarte Endverbleibserklärung für Waffen und Rüstungsgüter hin. Es lägen "keine Erkenntnisse vor, dass die Regierung der Region Kurdistan-Irak von der unterzeichneten Endverbleibserklärung abweicht".
Noch in diesem Monat soll der Bundestag über die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im Nordirak entscheiden. Zusätzlich denkt die Bundesregierung darüber nach, den kurdischen Peschmerga-Milizen noch mehr Waffen und Ausrüstung für den Kampf gegen den "Islamischen Staat" zu liefern.